Freitag, 24. September 2010

Sternenbild

2005 wurde bei meinem Vater Krebs diagnostiziert. Nach vielen Untersuchungen stellte man Schilddrüsenkrebs fest, der wohl schon länger am arbeiten war und gestreut hatte. Drei Jahre auf und ab, von einem Krankenhaus ins nächste (wohlgemerkt: ohne Chemo), ein einziger Kampf und Zerfall einer Kämpfernatur... leider vergeblich. Am 2. März 2008 erlag er der Krankheit. Ein Vierteljahr vor seinem Tod wurde uns von Seiten der Ärzte bereits mitgeteilt, dass es keine Hoffnung auf Heilung mehr gibt. Sie gaben ihm noch ungefähr ein Jahr- Vier Monate danach war es schon soweit. Dass dies eine katastrophale Auswirkung auf unsere Familie hatte, muss ich eigentlich nicht erzählen. Am Schlimmsten traf es meine Mutter, die sehr viel abnahm, vergesslich wurde und in Depression verfiel. Nach einem Jahr machte sie mit großem Erfolg eine überfällige Kur.
Betrachte ich mich von damals, habe ich die Sache gefasster getragen, als es so manche Tochter tragen würde. Da meine Schwester ein paar Monate nach Dads Tod hunderte Kilometer weit weg umzog und meine Mum fast hilflos wurde, habe ich fortan die Verantwortung getragen- und ich habe sie getragen. Ich habe sie aufgefangen, sie getröstet, viel im Haushalt gemacht, eingekauft und gebügelt- die Hautpaufgaben von meinem Dad eben. Ich selber habe mich nicht bei ihr ausgeweint und habe sie somit vor einem tieferen Fall bewahren können. Mein Freundeskreis konnte nicht richtig mit mir umgehen in dieser Situation. Sie hatten Angst und zogen sich nach einem "Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid." von mir zurück. Der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden konnte, war meine jetzige beste Freundin. Ihr Vater war ein Jahr vor dem Tod meines Vaters an einem Arbeitsunfall gestorben.
Ich war in der 12. Klasse, als es passierte und rappelte mich extrem schnell wieder hoch, kam mit einem lächelnden Pokerface wieder zurück in die Schule, um es meinen Mitmenschen und somit auch mir, leichter zu machen. In der Schule konnte und wollte ich nicht trauern, zu Hause konnte und wollte ich nicht trauern, bei Freunden konnte ich nicht trauern. Ich zog mich jedes Mal, wenn ich weinen wollte, auf den Friedhof zurück, vor seinem Grab. Danach ging es mir wieder gut und das hielt bis zur nächsten Trauerphase, die sich in Weinen ausdrückte. Die Abstände dieser Trauerphasen wurden immer länger. Erst war ich nur einen Monat nicht mehr auf dem Friedhof, dann drei Monate und jetzt gar nicht mehr. Und wieso? Ich habe keinen großen Bezug zu dem Grab, keine Connection nach oben. Wenn ich trauern will, mache ich das für mich alleine aus. Mein Dad ist immer und überall bei mir. Und wenn ich ganz fest an ihn denke, dann hoffe ich, dass er in irgendeiner kosmischen Art und Weise da ist. Dafür brauche ich nicht auf den Friedhof zu gehen. Kosmisch ist ein gutes Stichwort- er war ganz der Astonomie verfallen und las in unzähligen Magazinen über Sterne, neue Planeten und Welten... ich hoffe, er weiß nun über alles kosmische Bescheid und wir sehen uns irgendwann wieder....

Dienstag, 2. März 2010

Der 2. Todestag

Meine Tante rief vorhin an.
Sie fragte mit trauriger Stimme, wie es uns (meiner Mum und mir) gehen würde.
Ich sagte voller entsetzen- "Wie geht es dir denn? Du hörst dich so deprimiert an! Was ist los?"
Sie sagte: "Also ich höre, euch geht es auch nicht besser. Ja seit gestern muss ich eben daran denken, an IHN denken. also seit gestern nacht auf diesen tag."

........Und plötzlich fiel es mir ein. Der Gedanke erschoss mich- 2. März. Papas Todestag.

Ich lies mir nichts anmerken und lenkte ein, dass ich krank bin.

Der 2. März und ich habe ihn vergessen. Wieso?
Hab ich meinen Papa denn auch vergessen? Wieso?
Wieso habe ich an seinem Sterbetag nicht an ihn denken müssen? Wieso?
Wie konnte ich ihm das nur antun... Wieso nur...

Gestern hab ich einen Film gesehen - "Contact". Da ist eine Frau auf einer Insel gewesen, die war aber nicht echt, Aliens hatten ihre Erinnerung angezapft und sie für sie aufleben lassen. Ihr Vater kam auf sie zu.
Sie: "Dad? Dad, bist du das?"
Er: "Ach meine Kleine... Es tut mir so leid, dass ich nicht für dich da sein konnte..."

Wird er mir das auch sagen, wenn wir uns wiedersehen? Wenn wir uns überhaupt wiedersehen?

JEder Mensch vergisst mal irgendwas... irgendein wichtigen Geburtstag, den Hochzeitstag, vielleicht sogar den eigenen Geburtstag. Aber niemal, niemals vergisst man doch den Todestag des eigenen Papas..............

Montag, 20. Juli 2009

Eine Frage

Strahlend sieht sie mir ins Gesicht, ihre Haare kunstvoll hochgesteckt.
"Sind deine Eltern auch hier?", fragt sie.
Meine Augen weiten sich für einen kurzen Augenblick. Irgendwo tief in meinem Körper knackt es... Mir ist nicht ganz klar, ob in der Seele oder in meinem Herzen. Auf jeden Fall fühlt es sich wie ein Schlag ins Gesicht oder ein Stich an. Ich denke in dem Moment, dass man diesen Knacks doch hören müsste oder man sehen muss, dass ich mich krümme.
"Ja.", ist das einzige, was ich jetzt selbstbewusst und ohne Nachzudenken rausbekomme.
"Ja? Na, das ist doch schön.", erwidert sie nur grinsend und wendet sich einem anderen Gesprächspartner zu.
Mein Herz fängt an zu rasen und der Kloß in meinem Hals wird größer. Nein, gelogen habe ich ja nicht wirklich. Sie sind bestimmt beide hier. ER ist hier, ganz sicher, das weiß ich. Und er hat mich heute auch auf der Bühne gesehen und er ist stolz auf mein gutes Abi von 2,0 und auf meine Moderation.
Ich wende mich ab und versuche die Tränen in meinen Augen schnell zu verstecken. Unglaublich, wie mich diese eine Frage von meinem Hochgefühl so schnell zu einem Tiefgefühl bringt...

Mittwoch, 1. Juli 2009

Der Blick in den Himmel

Ich laufe, ich renne fast. Mein Ziel: Weg, nur weg von den Menschenmassen um mich herum. Ich will alleine sein. Ich laufe in die Garderobe und kann meine Tränen kaum zurückhalten. Leicht entsetzt sehe ich, dass eine Mitspielerin gerade dabei ist, sich umzuziehen. Ich gehe in das Abstellzimmer.
Ich fühle mich so allein, bin maßlos enttäuscht und unglaublich traurig.
Ich öffne das Fenster und bin überrascht über diesen wunderschönen Sommerabend-Himmel. Und sofort muss ich an ihn denken. Die Tränen fließen, gefolgt von den Zuckungen meines tiefen Schmerzes... Wenn er noch am Leben wäre, er wäre heute abend da gewesen. Mit Sicherheit. Er hätte mich nicht im Stich gelassen. Er hätte da gesessen, mit Stolz in seinen Augen, hätte mich auf der Bühne spielen gesehen, seine Tochter, überzeugend in der Rolle einer alten, verzweifelnden Mutter. Und nach dem Applaus wäre er direkt zu mir gekommen, hätte mich in die Arme geschlossen und mir gesagt "Das hast du gut gemacht". Und er wäre der stolzeste Daddy in der ganzen Aula gewesen...
Die Tränen auf der Bühne sind nicht versiegt, die Stimmung der alten Frau kehrt wieder in mir zurück. Ich fühle mich so unendlich mies, es ist so unfair. Warum er? Warum ich? Warum wir?
Wenn ich in den Himmel sehe, sehe ich keinen Gott... Nein, dann sehe ich das Gesicht von ihm vor mir. Salzige Tränen berühren meine Lippen...
Ich frage mich, ob ich jetzt hier weinend am Fenster stehen würde, während meine Mitspieler draußen freudig am Feiern sind mit ihren Freunden, Bekannten, Verwandten und mit ihrer Familie, wenn meine zwei Freundinnen gekommen wären. Diese zwei lieben, ca. 45- jährigen Frauen wollten doch beide kommen, nur wegen ihnen habe ich so gut gespielt. Jeder Mensch braucht doch seine Anerkenung. Und ich stand auf der Bühne und war mir jederzeit bewusst, dass da mindestens zwei liebe Menschen im Publikum sitzen, denen ich etwas beweisen möchte, die ich berühren möchte und für die ich spiele... Dachte ich.
Der Applaus versiegte, wir stellten uns an die Tür zum Verabschieden, Menschen laufen an mir vorbei. Einige, mir fremde Gesichter loben mich und werfen mir anerkennende Blicke zu. Eine Mitspielerin klopft mir auf die Schulter. "Meine Eltern waren begeistert von dir.", doch ich höre nur mit halbem Ohr hin, schenke meine volle Aufmerksamkeit der langsam bewegenden Menschenmasse, die sich aus die Tür drückt, immer auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Die Menschen werden weniger und meine Erkenntnis schleicht immer bedrohlich, immer realer in mir auf: Es wird kein bekanntes Gesicht mehr kommen, es war keiner von deinen lieben Menschen da. Du hast einzig und allein für fremde Menschen gespielt. Scheiß auf die Anerkennung derer! Meine Enttäuschung wurde von Minute zu Minute größer. Ich musste da weg. Auf dem Weg zur Garderobe...

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